Runder Tisch „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und die Handlungskompetenz von Kommunen“

Ein Bericht von Ninja Steinbach-Hüther

Ninja Steinbach-Hüther, Thomas Beukert, Lena Freyer, Sven Lehmann, Markus Maier (von links nach rechts) diskutierten beim runden Tisch „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und die Handlungskompetenz von Kommunen“. Fotos: Justus Wenke, Universität Leipzig

Das ReCentGlobe an der Universität Leipzig ist einer der beiden Partner im Werkstattbereich „Stadtentwicklung“ sowie Sitz des Lenkungsbereichs der T!Raum-Initiative „Handlungskompetenz der Kommunen Stärken“ (HKS) im Rahmen des BMFTR-Förderprogramms „T!Raum – TransferRäume für die Zukunft von Regionen”. Anlässlich der Jahrestagung des ReCentGlobe am 7. und 8. Mai zum Thema „Social Cohesion (Un)Bound: Zwischen nationalen, regionalen und transregionalen Interdependenzen“ versammelten sich zu einem Runden Tisch verschiedene Gäste, die über die T!Raum-Initiative HKS als Projektkolleg*innen oder assoziierte Partner miteinander verbunden sind. Sie diskutierten Handlungskompetenzen von Kommunen hinsichtlich gesellschaftlichen Zusammenhaltes am Beispiel ausgewählter Städte in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Bei dem Runden Tisch sprachen Thomas Beukert (Kompetenzzentrum für öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V.), Lena Freyer (kommunales Innovationsmanagement, Eilenburg), Sven Lehmann (SL | Marketing & Management sowie Vorstand #TGVeb, Eilenburg), Markus Maier (Universität Leipzig/SEPT Kompetenzzentrum) und ich selbst, Ninja Steinbach-Hüther (Universität Leipzig/RecentGlobe).

Im Fokus des Runden Tisches standen praktische Beispiele aus Aue-Bad Schlema und Eilenburg als ausgewählte mittelgroße Städte. Vor Ort kurbeln die Podiumsgäste zum Teil den gesellschaftlichen Zusammenhalt an oder nehmen eine eher beobachtende Rolle ein: Lena Freyer und Markus Maier vom Werkstattbereich „Transfer über Köpfe“ initiieren und begleiten im „Coworking Weltkleinstadt“ in Eilenburg innovative Formate und kollaborative Projekte. Sven Lehmann, gebürtiger Eilenburger, Gründer und Inhaber der Unternehmensberatung SL | Marketing & Management, engagiert sich seit Jahren in verschiedenen Initiativen vor Ort, hat das Kreativnetzwerk und das Kleinstadtlabor KUNSTwoche Eilenburg ins Leben gerufen und ist Vorstandsmitglied im Tourismus- und Gewerbeverein Eilenburg e.V., Thomas Beukert führt im Werkstattbereich „Stadtentwicklung bis 2030 – Strategiebildung in Mittelstädten“ sozioökonomische und Finanzanalysen für Aue-Bad Schlema durch. Im selben Werkstattbereich begleite ich städtische Entscheidungsprozesse und untersuche deren Akzeptanz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Als Moderatorin und Panelgast übernahm ich beim Panel eine doppelte Funktion.

Ziel des Runden Tisches war exemplarisch herauszuarbeiten, welche Vorbedingungen und Voraussetzungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt in Aue-Bad Schlema und Eilenburg existieren. Der Gesprächsverlauf beim Runden Tisch zeigte deutlich, dass sich die Perspektiven und Handlungsspielräume von beiden Kommunen u. a. aufgrund veränderter Finanz- und Politiklagen seit einigen Jahren stark gewandelt haben. Das hat sie vor neue Herausforderungen gestellt und spiegelt sich in den kommunalen Verwaltungen und auf kommunalpolitischer Ebene einerseits wider, wird andererseits aber auch in der Zivilbevölkerung deutlich, die unterschiedlich auf (global zu beobachtende) und regional erlebte Transformationen reagiert.

Thomas Beukert lieferte zunächst einen vergleichenden Überblick über Kommunalfinanzen und Verwaltungshandeln im Strukturwandel. Die seit einigen Jahren schrumpfenden Einwohnerzahlen in Aue-Bad Schlema stehen einem deutlichen Wachstum der Eilenburger Bevölkerung gegenüber, wobei beide Städte aktuell vor große finanzielle Herausforderungen gestellt sind: Während die Finanzausstattung in Aue-Bad Schlema seit einigen Jahren einem Zick-Zack-Muster mit Höhen und Tiefen folgt, stagniert sie in Eilenburg. Von finanziellen Sparmaßnahmen sind aktuell beide Städte stark betroffen, wobei sich für Aue-Bad Schlema nach wie vor ein relativ gutes kommunales Leistungsangebot der Stadt beobachten lässt, was auch im Vergleich zu Eilenburg deutlich besser ausfällt.

Das Spektrum zivilgesellschaftlichen Engagements hat in beiden Städten einen relativ großen Radius. Es reicht von Sport- und Freizeitvereinen über lokalgeschichtliche, kulturelle und kirchliche Gemeinden und Gruppen, Initiativen zur Demokratie- und Wirtschaftsförderung, sozialen Orten und Praktiken, Bürgerbeteiligungsformaten bis hin zu verschiedenen ehrenamtlichen Möglichkeiten der Mitgestaltung des sozialen Lebens. Beide Städte verfügen über fest verankerte Vereinsstrukturen, die sich teilweise über Jahrzehnte entwickelt haben. Im Bereich des gesellschaftlichen Zusammenhalts nutzen die Städte unterschiedliche Förderprogramme, um Transformationserfahrungen in verschiedenen Bereichen und Bevölkerungsanteilen zu begegnen.

Als wichtiges Thema für gesellschaftlichen Zusammenhalt sahen die Podiumsgäste die Kommunikation und Sichtbarmachung von Entscheidungen und Entscheidungsprozessen innerhalb der jeweiligen Stadtbevölkerung einerseits und der Stadtverwaltungen andererseits. Auffällig wurde, dass Eilenburg durch die geographische Nähe zu Leipzig häufig auch im Vergleich zur Großstadt mit Vor- und Nachteilen besprochen wurde. In Aue-Bad Schlema selbst wiederum werden als Vergleichsparameter u. a. eher die einzelnen Ortsteile der fusionierten Stadt (Alberoda, Aue, Bad Schlema, Wildbach) aufgeführt. Um Menschen in beide Städte zu locken, diese besser kennen zu lernen, zu besuchen und zu erleben, bräuchte es Ereignisse, die sie anziehen. Für Eilenburg ist das beispielsweise die KUNSTwoche mit einer starken Initialzündung, deren Dynamik bis heute anhält, selbst wenn die verfügbaren Gelder wesentlich geringer ausfallen als zu Beginn. Hierbei zeigen sich deutlich die Potentiale, die Mittelzentren für gesellschaftliches Engagement entfalten können, und die dann auch weit über die Stadtgrenzen hinaus ausstrahlen. Für Aue-Bad Schlema lässt sich u. a. auf Effekte hoffen, die die Landesgartenschau 2027 verstärken und nach sich ziehen soll. In Bezug auf Bedarfe führten die Gäste aus Eilenburg u. a. auf, dass die Innenstädte belebt werden müssten, und dass Angebote für Frauen besonders in den Bereichen Vernetzung und wirtschaftliche Integration ausgebaut werden sollten. In Aue-Bad Schlema besteht von engagierten Personen vor Ort der Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung und Sichtbarmachung von bereits vorhandenem Potential sowie der Bedarf, Veranstaltungen zeitlich besser miteinander zu koordinieren. Zudem beschäftigen sich die Akteure vor Ort, zum Teil auch angeregt durch das Projekt, mit Fragen zu einer Strategie, wie man ehrenamtliches Engagement zusammenführt, und zu besseren Kommunikationsstrategien sowohl zwischen Verwaltung und Bürgerschaft als auch innerhalb der Bürgerschaft und Zivilbevölkerung sowie innerhalb engagierter Akteure und Institutionen vor Ort. Weitere Bedarfe vor Ort zeigen sich u. a. in Fragen zum Umgang und zur Auseinandersetzung mit demokratiegefährdenden und antidemokratischen Bewegungen und gesellschaftlichen Polarisierungen.

Das Format des Runden Tisches erwies sich als gewinnbringend, weil Praxiswissen, Projektwissen und gesellschaftliches Wissen miteinander in Austausch getreten sind. Die Bedeutung eines solchen Austauschs auf verschiedenen Ebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven (interkommunal, zwischen Kommune und Universität, zwischen beteiligten und beobachtenden Akteuren, etc.) lässt sich hierbei als besonders fruchtbar hervorheben. Dabei sollte das „Reden mit“ Akteuren vor Ort statt das „Reden über“ sie nicht nur in Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts weiter ausgebaut werden.

Eine ausführliche Version dieses Textes mit einem Einblick in die Diskussion mit dem Publikum findet sich als Blogbeitrag auf der Website der Uni Leipzig.

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